Der jüdische JPS-Bibelkommentar macht klar: Jesaja 9 spricht von zukünftigem, göttlichem Messias!

Das redaktionelle Prinzip ist tannaitisch*. Im vorliegenden Fall verleiht der Sprung von Jes 7,1-6 zu 9,5-6 der Prophezeiung eine messianische Dimension, die sie über die unmittelbaren Umstände des Königs Ahas hinaus in die Zukunft verlängert. Die göttliche Verheißung des Textes ist also nicht auf einen bestimmten historischen Zeitpunkt beschränkt, sondern richtet sich an die Hoffnung aller, die diese Prophezeiung im Glauben lesen würden. Die sephardische Lesart hat eine bescheidenere nationale Hoffnung: das Überleben und die Wiedergeburt des Volkes Israel (sie endet in 6,13).Die Haftarah in Jes 6,1-7,6 und 9,5-6 bewegt sich also zwischen zwei Arten von Souveränität: dem göttlichen Königtum im Himmel (“der König, der Herr der Heerscharen” [6,5]) und dem königlichen (messianischen) Königtum auf Erden. Innerhalb dieses Gesamtrahmens werden ein heiliger Gott, der Ungerechtigkeit bestraft, und ein gerechter König hervorgehoben, der mit göttlicher Hilfe Frieden und Gerechtigkeit für den “heiligen Samen” schaffen wird (6,13). Mehr noch: Gottes Gnade wird diesen König verklären, wie wir aus den messianischen Beinamen ersehen können, mit denen er bezeichnet wird: “Der mächtige Gott [ʾel gibbor] plant Gnade [peleʾ yoʿetz]; der ewige Vater, ein friedfertiger Herrscher” (9,5). Einigen mittelalterlichen Auslegern zufolge sind die ersten vier Ausdrücke separate Beinamen Gottes, wie die Parallelen in Jes 10,21 (ʾel gibbor) und 28,29 (hiphliʾ ʿetzah [“der wundersame Ratschlüsse gibt”; NJPS: “Sein Ratschluss ist unergründlich”]) nahelegen. Unabhängig davon, ob es sich bei ʾel gibbor (“Mächtiger Gott”) und peleʾ yoʿetz (“Wunderbarer Ratgeber”) um unterschiedliche göttliche Titel handelt, die dem König verliehen wurden, oder ob sie als epithetische Bezeichnungen für königliche Macht und Weisheit zu verstehen sind (Ibn Esra), gibt es eine auffällige Überschneidung zwischen den beiden Möglichkeiten. Diese Tatsache weist auf den gottähnlichen Charakter des messianischen Königs hin, dessen Inthronisierung die irdische Verkörperung transzendenter Ideale ist. Der richtende Gott im Himmel dient somit als Vorbild für das ideale Reich auf Erden. Die Pole, die den göttlichen “König” (melekh [Jes. 6:5]) und das messianische “Königreich” (mamlakhah [9:6]) markieren, sind eines von mehreren Beispielen in der Haftarah, in denen thematische Zusammenhänge durch Wortspiele angedeutet werden

Fishbane, M.A. (2002) Haftarot. Philadelphia: The Jewish Publication Society (The JPS Bible Commentary), S. 107–108.

* Die rabbinische Ära von der Zeitenwende bis ca. 200 n.Chr.