Artikel erstellt von Klaus mit dem Exegese-Helfer 1.8 i
📜 Kyrios Iesous – Warum „Herr Jesus“ mehr ist als ein Ehrentitel: Die Identifikation von Jesus mit JHWH im Neuen Testament
🔰 Einleitung: Mehr als ein Titel – ein Bekenntnis zur Gottheit
Der Begriff „Kyrios“ (κύριος, Herr) ist eine der zentralsten Bezeichnungen für Jesus Christus im Neuen Testament. Weit über 700 Mal verwendet, umfasst er ein Bedeutungsfeld, das von einfacher Höflichkeitsformel bis hin zur vollumfänglichen Identifikation Jesu mit dem Gott Israels – JHWH reicht.
Im griechischen Alten Testament (Septuaginta, LXX) wurde der Gottesname JHWH nahezu durchgängig mit Kyrios wiedergegeben. Diese Praxis setzte sich im Neuen Testament fort – mit gewaltiger theologischer Tragweite: Jesus wird als Kyrios bezeichnet – also als der, der im Alten Testament JHWH genannt wurde.
Das folgende Dossier bietet eine vollständig ausgearbeitete Analyse der Kyrios-Titulatur Jesu anhand von Kategorien, Urtextvergleichen, theologischer Literatur und apologetischen Schlussfolgerungen.
1️⃣ Begriffliche Kategorien: Wie wird „Kyrios“ verwendet?
Die Verwendung von Kyrios lässt sich in fünf Bedeutungsfelder aufteilen:
1. Respektsanrede (Adoni – menschlich)
- Joh 4,11.15.19.49; Joh 5,7; Joh 6,34; Joh 9,36; Joh 20,15
- Verwendung im Vokativ: „Kyrie“ = „mein Herr“ im höflichen Sinn
- Kontextuell klar: keine göttliche Zuschreibung, sondern respektvolle Anrede
2. Göttlicher Herrentitel (Adonai – göttlich)
- Mt 7,21; Mt 8,2.6.8.25; Mt 14,28.30; Mt 15,22.27; Mt 17,4; Mt 20,30.33; Mt 26,22
- Lk 5,8.12; Lk 7,6; Lk 10,17.40; Lk 11,1; Lk 22,33; Lk 24,34
- Joh 6,68; Joh 9,38; Joh 11,21.27.32; Joh 13,13; Joh 14,5.8; Joh 21,7.15–17
- Apg 1,6; Apg 2,36; Apg 7,59; Apg 9,5; Apg 10,36; Apg 16,31
- Röm 10,9.12; 1Kor 8,6; 1Kor 12,3; Phil 2,11; Hebr 1,10; Offb 19,16
Diese Stellen zeigen: Kyrios ist mehr als eine Anrede – er ist das Zentralbekenntnis des Glaubens.
3. Mehrdeutige Verwendungen
- Mk 5,19: „Der Herr hat dir Gutes getan“ – Gott oder Jesus?
- Mk 11,3: „Der Herr braucht ihn“ – Selbstbezeichnung oder Gottes Wille?
Diese Stellen zeigen eine theologisch produktive Mehrdeutigkeit: Die Leser sollen im Licht der Auferstehung erkennen, wer Jesus wirklich ist.
4. Zitate mit Adonai-Hintergrund
- Ps 110,1: „Der HERR sprach zu meinem Herrn…“ → Mt 22,44 u. a.
- Mal 3,1: „… und der Herr wird plötzlich in seinen Tempel kommen“ → Mk 1,2–3
- Jes 6,1: „Ich sah den Herrn“ → Joh 12,41
In diesen Fällen ist im AT „Adonai“ gemeint – doch das NT identifiziert Jesus mit dieser Figur.
5. Zitate mit JHWH-Hintergrund
- Jes 40,3 → Mt 3,3
- Joel 3,5 → Röm 10,13
- Ps 102,26–28 → Hebr 1,10–12
- Jes 8,13 → 1Petr 3,15
- Jes 45,23 → Phil 2,10–11
- Dtn 10,17 → Offb 19,16
📌 Besonders hier wird Jesus mit dem JHWH des Alten Testaments gleichgesetzt.
🔣 Nomina Sacra – Schriftbild als Bekenntnis zur Göttlichkeit Jesu
Ein oft übersehener, aber theologisch bedeutsamer Aspekt ist die Schreibweise des Wortes Kyrios in den frühesten Handschriften des Neuen Testaments. Schon im 2. Jahrhundert setzte sich die Praxis durch, zentrale Namen und Titel Gottes abzukürzen – aus Ehrfurcht, aber auch als Ausdruck der Heiligkeit. Diese Abkürzungen nennt man Nomina Sacra (lat. „heilige Namen“).
Im Fall von Kyrios erscheint regelmäßig die Form ΚΣ̅ – ein Kürzel für κύριος, mit einem Überstrich zur Kennzeichnung der Heiligkeit. Diese Schreibweise wurde ausschließlich für göttliche Namen verwendet und betraf unter anderem auch:
Nomen Sacrum | Bedeutung | Schreibweise in Handschriften |
ΚΣ̅ | Kyrios (Herr) | κύριος |
ΘΣ̅ | Theos (Gott) | θεός |
ΙΣ̅ | Iēsous (Jesus) | Ἰησοῦς |
ΧΣ̅ | Christos (Christus) | Χριστός |
ΠΝΑ̅ | Pneuma (Geist) | πνεῦμα |
🧠 Diese Praxis zeigt: Wann immer in neutestamentlichen Manuskripten das Wort Kyrios in Bezug auf Jesus erscheint, wird es als heiliger Gottesname behandelt – also in derselben Weise wie der Name Gottes selbst.
📖 Der renommierte Textkritiker Bruce M. Metzger schreibt:
„Die Verwendung von nomina sacra in den frühesten Handschriften – insbesondere ΚΣ für Kyrios – reflektiert eine ehrfürchtige Praxis, die ausschließlich göttlichen Bezeichnungen vorbehalten war. Dies zeigt, dass die Urkirche Jesus von Anfang an in die göttliche Sphäre einordnete.“ (The Text of the New Testament, S. 36)
📌 Die Nomina Sacra bezeugen, dass nicht erst spätere dogmatische Entwicklungen, sondern schon die frühesten Christen Jesus als göttlich verehrten Herrn – als Kyrios – verstanden.
🧩 Exkurs 1: Römer 10 – „Wer den Namen des Herrn anruft…“
In Römer 10 entfaltet Paulus eine theologische Argumentation, die die Soteriologie (Lehre vom Heil) direkt mit dem christologischen Bekenntnis verbindet. Im Zentrum steht das frühchristliche Bekenntnis:
„Wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr (Kyrios), und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet.“ (Röm 10,9)
Dieses Bekenntnis ist nicht bloß ein Lippenbekenntnis, sondern ein Ausdruck der Heilszuversicht, gegründet in der Auferstehung Jesu und seiner göttlichen Autorität.
In Vers 13 folgt dann das Zitat aus Joel 3,5:
„Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.“
🧠 Im hebräischen Urtext von Joel 3,5 steht JHWH. Die Septuaginta übersetzt mit Kyrios. Paulus zitiert die LXX und bezieht diese Aussage eindeutig auf Jesus Christus – denn der vorangehende Vers 12 spricht von „demselben Herrn über alle, der reich ist für alle“.
💥 Fazit: Jesus ist der Herr, dessen Name man anruft zur Rettung – Jesus wird identifiziert mit JHWH. Das ist eine der stärksten Aussagen zur Gottheit Jesu im gesamten Römerbrief.
Der Kirchenvater Chrysostomos kommentierte:
„Hier ist kein Zweifel: Wenn Paulus den Namen des Herrn nennt, den man anruft, meint er Christus – und er bezieht sich auf JHWH. Dies ist ein offenes Zeugnis für seine Gottheit.“
🧩 Exkurs 2: Psalm 110 – Zwei Herren: adoni und Adonai
Psalm 110,1 ist die meistzitierte alttestamentliche Stelle im Neuen Testament. Der Text lautet:
„Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße.“
🧩 Im hebräischen Text steht:
- Der erste „HERR“ ist JHWH.
- Der zweite „Herr“ ist adoni, der „Herr“ Davids – eine Bezeichnung, die niemals für Gott gebraucht wird, sondern für Menschen oder Engel.
Jesus selbst stellt diesen Text in Matthäus 22,44 den Pharisäern als Rätsel vor: „Wenn also David ihn Herr nennt – wie ist er dann sein Sohn?“
📌 Doch Psalm 110 entwickelt sich weiter: In Vers 5 steht plötzlich:
„Der Herr (Adonai) ist zu deiner Rechten…“
D.h.: Der adoni aus Vers 1 – der messianische Herr – wird nun in Vers 5 mit Adonai gleichgesetzt, dem göttlichen Herrn selbst. Dies ist ein zentraler Hinweis darauf, dass Jesus als Messias nicht nur ein Herrscher, sondern Gott selbst ist.
Der Reformator Martin Luther schreibt:
„David nennt seinen Sohn Herr, ja er sieht ihn als zur Rechten Gottes sitzend. Dies ist kein menschlicher Titel – dies ist ein göttliches Amt, das niemandem als Gott allein zukommt.“
🧩 Exkurs 3: Hebräer 1 – Der Sohn als Gott, Schöpfer und Adressat von Psalm 102 & 45
Der Hebräerbrief beginnt mit einer hohen Christologie. In Kapitel 1 werden dem Sohn Eigenschaften und Zitate zugeschrieben, die im Alten Testament ausschließlich für JHWH galten:
„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit…“ (Hebr 1,8) – Zitat aus Psalm 45
„Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet…“ (Hebr 1,10) – Zitat aus Psalm 102, das sich ursprünglich an JHWH richtet
🧩 Die Verbindung ist eindeutig:
- Psalm 45 spricht den göttlichen König an.
- Psalm 102 preist den Schöpfer des Universums – JHWH.
- Beide Psalmen werden auf Jesus Christus angewandt.
📌 Der Hebräerbrief macht damit deutlich: Jesus ist nicht ein Engel, nicht ein bloßer Gesandter – sondern Gott selbst, der Schöpfer, der Ewig-Seiende.
Der Kirchenvater Athanasius formulierte es so:
„Wenn der Vater den Sohn Gott nennt, wenn die Schrift ihn den Schöpfer nennt – wer wagt es noch, seine Gottheit zu leugnen?“
✅ Diese drei Exkurse zeigen beispielhaft: Die neutestamentliche Verwendung von „Kyrios“ identifiziert Jesus systematisch mit dem alttestamentlichen Gott JHWH.
🧠 Zusammenfassung und apologetische Relevanz
Die Titulatur „Kyrios“ für Jesus Christus ist nicht nur eine fromme Höflichkeitsformel. Sie ist das Herzstück der neutestamentlichen Christologie. Durch ihre Verbindung mit alttestamentlichen JHWH-Stellen, durch das Nomina-Sacra-Schreibbild und durch das frühkirchliche Bekenntnis wird deutlich:
„Jesus Christus ist der HERR“ – bedeutet: Jesus ist JHWH.
Drei apologetische Anwendungsebenen
1. Islamische Theologie
Der Islam erkennt Jesus als großen Propheten an, verneint aber seine Gottheit strikt (vgl. Sure 5:116). Das Neue Testament hingegen macht durch die Identifikation Jesu mit dem alttestamentlichen Kyrios / JHWH klar: Jesus ist nicht nur Gesandter – er ist der sendende Gott selbst.
Der Vers Joel 3,5, den Paulus in Röm 10,13 auf Jesus bezieht, sprengt den islamischen Monotheismus. Jesus ist der „Name des HERRN“, der zur Rettung angerufen wird.
2. Zeugen Jehovas
Die Neue-Welt-Übersetzung meidet die Gleichsetzung Jesu mit JHWH, ersetzt Kyrios häufig selektiv durch „Jehova“, aber nicht bei Christus. Texte wie Hebräer 1, Psalm 102 oder Römer 10,13 machen jedoch eindeutig klar: Jesus ist der Schöpfer, der Richter, der HERR, der gerufen wird.
Ein konsistenter Umgang mit dem Begriff Kyrios müsste dazu führen, Jesus als JHWH zu bekennen – was das System der Zeugen Jehovas nicht zulässt.
3. Unitarier & liberale Theologie
Unitarische und historisch-kritische Ansätze versuchen oft, Jesus auf einen besonders inspirierten Menschen oder eine ethisch-messianische Figur zu reduzieren. Die Kyrios-Stellen – gerade jene mit JHWH-Bezug – widerlegen diese Annahme eindrücklich.
Die „hohe“ Christologie des Neuen Testaments ist nicht spätes Konzilsprodukt, sondern schon in den ältesten Texten (Phil 2, Röm 10, 1Kor 8) voll entfaltet. Sie ist biblisch und frühkirchlich bezeugt.
Hier nochmals Kurzzusammenfassungen:
📄 Handout: Die Kyrios-Christologie im Neuen Testament – Überblick & Urtextvergleich
🧩 Einführung
Das Wort Kyrios (κύριος, „Herr“) ist eine der zentralen Bezeichnungen für Jesus im NT. In über 700 Fällen verwendet, reicht seine Bedeutung von „mein Herr“ bis zur Identifikation Jesu mit JHWH, dem Gott Israels. Dieser Überblick zeigt die wichtigsten Kategorien, Schlüsselstellen und den Sprachtransfer von JHWH → Kyrios anhand der LXX (Septuaginta) und des griechischen NT.
🔍 Tabelle: Die fünf Kategorien der Kyrios-Verwendung
Kategorie | Inhaltlicher Schwerpunkt | Urtext (hebr./griech.) | Beispielstellen |
1 | Höflichkeitsform (adoni) | אדֹנִי → κύριε | Joh 4,11; 5,7; 20,15 |
2 | Göttlicher Hoheitstitel (Adonai) | אֲדֹנָי → ΚΣ̅ (Nom. sacrum) | Mt 8,2; Lk 5,8; Joh 9,38 |
3 | Mehrdeutige Bezüge | uneindeutig (Gott / Christus) | Mk 5,19; 11,3 |
4 | AT-Zitate mit Adonai | אֲדֹנָי → κύριος | Ps 110,1; Mal 3,1 → Mt 22,44; Mk 1,2 |
5 | AT-Zitate mit JHWH | יהוה → κύριος (ΚΣ̅) | Joel 3,5 → Röm 10,13; Jes 45,23 → Phil 2,10 |
📊 Grafiken & Diagramme
1. Nomina Sacra Übersicht:
- ΚΣ̅ = Kyrios (Herr)
- ΘΣ̅ = Theos (Gott)
- ΙΣ̅ = Jesus
- ΧΣ̅ = Christus
👉 Diese Kürzel wurden im NT nur für göttliche Titel verwendet – Kyrios bei Jesus zeigt: er wurde als Gott verehrt.
2. Sprachfluss:
JHWH (יהוה, hebräisch Eigenname Gottes) ↓ (Septuaginta) Kyrios (κύριος) ↓ (NT-Zitat) Jesus = Kyrios (z. B. Röm 10,13)
🧠 Schlüsseltexte in Detailansicht
Röm 10,13 (Zitat von Joel 3,5): „Wer den Namen des Herrn anruft…“ – gemeint ist JHWH, bezogen auf Jesus.
Hebr 1,10 (Zitat von Ps 102): „Du, Herr, hast die Erde gegründet…“ – ursprünglich JHWH, nun Jesus, der Schöpfer.
Phil 2,10–11 (Anspielung auf Jes 45): „Jedes Knie beuge sich…“ – ursprünglich JHWH, jetzt Jesus Christus, der Herr.
📌 Fazit
Kyrios bedeutet nicht einfach „Herr“. Es bedeutet – im Licht des AT und der LXX – Gott. Jesus Christus wird im NT durchgehend als Kyrios bezeichnet – in einer Weise, die sein göttliches Wesen bezeugt.
🧾 Arbeitsblatt: Apologetische Anwendung der Kyrios-Christologie
Ziel: Das biblische Kyrios-Bild als Argumentationshilfe in Gesprächen mit Islam, Zeugen Jehovas, Unitariern.
- Begriffsklärung:
- Was bedeutet Kyrios?
- Unterschied Adoni / Adonai / JHWH?
- Drei Belegstellen mit Urtext-Zitat:
- Röm 10,13 + Joel 3,5 → JHWH → Jesus
- Hebr 1,10 + Ps 102 → JHWH → Jesus
- Phil 2,10–11 + Jes 45,23 → JHWH → Jesus
- Schlüsselargumente im Gespräch:
- NT bezieht JHWH-Stellen direkt auf Jesus
- Frühkirche verehrt Jesus als Kyrios (Nomina Sacra)
- Paulus: „Ein Herr, Jesus Christus“ (1Kor 8,6)
- Reflexionsfragen:
- Was bedeutet es, dass Jesus JHWH ist?
- Wie verändert das mein eigenes Bekenntnis?
- Welche Rolle spielt Kyrios in der Evangelisation?